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  • AutorenbildAngels Aerials

Zweimal Peter Pan & mehr

Rückblick auf eine lange Zeit


Nach langer Zeit der Stille sprudeln die Worte heute nur so aus mir heraus und ich möchte schreiben, schreiben schreiben… Das tue ich und gönne mir den Luxus, mich nicht kurz zu fassen.

Ich lade Euch ein, 10 Minuten mit uns und unserem letzten Jahr zu verbringen - oder auch einfach direkt auf die Zukunft zu warten. „Im Blick zurück entstehen die Dinge,

Die dazu führ´n, dass wir uns finden,

Dass unsere Träume uns gelingen,

Bevor sie sanft ins All verschwinden…“ (Tocotronic)

Das Jahr 2022 war in vieler Hinsicht ein besonderer Erfolg. Wir haben in der analogen Welt unsere Kurszahlen vergrößert, unser Kurssystem ausgebaut, unsere Zuschauer*innenzahl verdoppelt. Wir haben wunderbares Dokumentationsmaterial in Wort, Ton und Bild. Aber - um es mit meinem Kollegen Slava Gebner zu sagen - wir haben Steine gebissen auf dem Weg dahin.

Januar 22: Wir fliegen hoch… Seit Sommer 2020 hat das Flugtheater in den Hallen der Hafenakademie Köln-Mülheim einen festen Spielort: das Theater unter der Brücke - so genannt, weil perspektivisch ein Umzug in die Hallen unter der Mülheimer Brücke, dem Wahrzeichen des Stadtteils Mülheim, geplant ist. Ende März 2022 hat sich der Mietvertrag verlängert, zunächst bis 30.6.2023 mit der Option auf Weiternutzung bis Baubeginn.

… und fallen tief: Die Odyssee ab August Anfang August flattert die vorzeitige Kündigung wegen Abriss für unsere Halle ins Haus - zum 15.09.2022 soll sie geräumt sein. Das obwohl noch nicht einmal (und das bis heute nicht) Baurecht vorliegt… Damit bricht der Boden für unsere gesamte Planung weg. Viel Energie und Zeit wandert in Rechtsanwaltskanzleien und Notariate anstatt in Projekte und Drehtage, Recherche und Entwicklung.

Letztendlich wenden wir sie ab, die Kündigung, - erstmal - denn am 31.3.2023 werden wir unsere Flughalle verlassen und - im wahrsten Sinne des Wortes -ein (obdachloses) Theater unter der Brücke werden.

Aber noch haben wir ein Zuhause. Weil wir gar nicht anders können, verschieben wir alles, was für den Spätsommer geplant war, ins vierte Quartal. Und so startet unsere wichtigste Produktionsphase erst im Oktober - zusammen mit dem Herbst und dem Winter. Das hätten wir gerne vermieden, denn die Innentemperatur der Halle entspricht nun der Außentemperatur.

Kalt ist es. Eiskalt. Und wenn es kalt ist, fällt das Bewegen schwer. Und das Denken. Krank sind wir eigentlich alle mal. Und deswegen ist unsere Peter Pan Produktion auch recht schnell unterprobt - Tendenz - ebenso wie der Krankheitsspiegel - steigend.

Irgendwann haben wir alle - Kinder wie Erwachsene - das Gefühl, „alles geben“ reicht leider nicht. Als vier Tage vor der Premiere von Peter Pan (eigentlich die 1. Hauptprobe) noch nicht mal ein Durchlauf möglich ist, weil die Szenen so unterprobt sind, dass sie gefährlich werden, ist der Tiefpunkt erreicht.

Wir verschieben die Premiere um einen Tag und machen die Premiere zur öffentlichen Generalprobe. So gewinnen wir einen Durchlauf. Zusätzlich treffen wir uns in kleinen Gruppen am Montag und Dienstag. Mitten in diesem schon viel zu engen Zeitplan sprechen wir mit triefenden Nasen einen Podcast ein und drehen Interviews mit sieben wärmenden Schichten übereinander - sehr bemüht, nicht so auszusehen als würden wir furchtbar frieren.

Während die Temperaturen draußen weiter sinken - es ist die kälteste Woche des Jahres und wir werden bei der Premiere -11° haben - „entsteht drinnen eine neue Welt. Geboren aus diesen Herausforderungen der Flexibilität, die Dinge wieder und wieder anders zu denken und der Zuversicht, dass es irgendwo einen Weg gibt, der unserer ist.

Es ist eine Welt, in der wir alle gemeinsam lernen, für unseren Traum zu kämpfen, Verantwortung zu übernehmen und für uns selbst und für andere über uns hinauszuwachsen.“ (frei nach unserer Reportage, für die unsere Reporterin jeden Tag der letzten Woche mit uns in der Halle war).

„Jeden Tag machen wir eine Bemühung daran zu glauben, fliegen zu können.“ Und es klappt. Plötzlich ist sie da, die magische Welt des Nimmerlands. Musik, die eigene Atmosphären schafft, Licht, das aus weißen Wänden Piratensegel macht, Darsteller*innen unter der Decke, vor, hinter, neben und im Publikum - mit Worten ist sie nicht zu fassen - diese Welt - und doch der Worte voll.

„Jetzt brauche ich erstmal einen Moment, um zurück in die normale Welt zu finden“, sagte eine Lehrerin nach der letzten Schulaufführung im März.

Heute ist schon die Wiederaufnahme vorbei. Zu Besuch kamen fast 1000 Zuschauer*innen und die Jury des Kölner Kinder- und Jugendtheaterpreises.

Heute höre ich mir immer wieder gerne unseren Podcast an - besonders in den warmen Strahlen der Frühlingssonne.

Heute kann ich unseren Film gucken und glauben, es wäre leicht gewesen. Kann Kälte und Anstrengung einfach vergessen und mich in unseren Bildern und Worten verlieren.

Und Morgen? Übermorgen? Was nehmen wir für die Zukunft mit? Einatmen. Ausatmen. Aufstehen. Krönchen richten. Weitermachen.

Seit August sind wir ordentlich durchgewirbelt worden. Aber was wäre, wenn wir Dinge erreicht hätten, von denen wir zu Beginn des Jahres 2022 nicht einmal geträumt hätten?

Woran das lag? Vor allem am Leben. Hätte mir im Januar 2022 jemand gesagt, mit 20 Kindern bei -11 Grad auf die Bühne zu gehen sei möglich, ich hätte den pädagogischen Wert eines solchen Vorhabens massiv angezweifelt. Heute würde ich das immer noch tun - und doch halte ich es für deutlich wahrscheinlicher, im Leben auch das Unmögliche zu versuchen.

Was wäre also, wenn wir 2023 lernten, durch die Luft zu gehen? Wer, wenn nicht wir, das Flugtheater…?

Denn es geht weiter - immer. Unsere Basis ist weggebrochen: Wir haben kein Haus mehr. Noch nicht einmal einen Haufen Schutt wo unser Theater stand, denn die Halle steht noch. Dafür einen großen Haufen Probleme, Fragen, Trauer und Wut. Aber so ist es nicht nur. Denn die wirkliche Basis dieses Theaters sind die Menschen, die es machen, Große wie Kleine. Und die sind alle noch da, suchen, wie es weitergehen kann. So entsteht aus unserem Haufen Probleme die Grundlage für neue Prozesse und ein 2023, in dem wir im urbanen Raum, beim Schultheaterfestival an den Fassaden von Schauspiel und Oper, in einem Zelt auf dem Osthof spielen, Peter Pan nach Berlin touren, mit KLuG e.V. in Prozesse urbaner Transformation einsteigen, mit dem Otto-Langen-Quartier, der Gilden Brauerei, Kronenbrot und dem Osthof viele Optionen zur Zwischennutzung finden, im Gründungs- und Entwicklungsteam des Kreationszentrums Zeitgenössischer Zirkus sind…

Was wäre also wenn..

…wir weiter Perspektiven veränderten, Blickwinkel verrückten, im Brennpunkt Träume entstehen ließen und jeden Tag eine Bemühung machten daran zu glauben, fliegen zu können - ganz real und genauso metaphorisch - und manchmal das Unmögliche möglich machten - kurz einfach weiterflögen?

Genau das haben wir vor.

„Sicher?“ lautet die vorletzte Textzeile in Peter Pan.

„Ganz sicher!“ lautet die Letzte.

Und wenn Ihr uns dabei helfen wollt, weil Ihr eine Halle habt, wichtige Leute bei der Stadt und in der Politik kennt, eine Idee loswerden oder einfach nur Fördermitglied werden wollt, dann schreibt uns. Wir freuen uns über jeden Gedanken - und jeden Euro ;)


„Im Blick zurück entstehen die Dinge;

Im Blick nach vorn entsteht das Glück;

In höchsten Höhen, wo wir schwindeln;

In tiefste Tiefen und zurück…“

(Tocotronic)

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